Von Mülheim bis zur Nordsee
16.07.12 – 26.07.12
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Leinen los!! Das Kommando, auf das ich fast sieben Jahre hingearbeitet habe wird endlich Wirklichkeit. Mehr als doppelt solange wie geplant am Traum gebaut und bei der Abfahrt schon wieder zwei Monate hinter dem Zeitplan. Doch irgendwann muss das „Go“ kommen, losfahren, auch wenn vieles noch nicht fertig ist und manches im Unklaren liegt. Jede Seereise beginnt mit dem Ablegen von der sicheren Hafenmole. Die Festmacher einzuholen ist für mich immer ein tiefes Gefühl der Freiheit, ein Aufbruch ins Ungewisse, viele neue Erfahrungen, eine Reise in mein Inneres, das Abenteuer des Lebens. Die ersten Kabellängen werden zu Seemeilen, die Seemeilen zu Etmalen, langsam taucht man ein in die Ruhe und Routine des Bordalltags und in die Tiefen seiner Seele. Dafür ist aber freies Wasser notwendig, also nichts wie hin.
Zuerst geht es vom Bootsbauplatz in Mülheim an der Ruhr über zwei Ruhrschleusen rund 14 Meter abwärts in den Rhein und talwärts weiter bis über die deutsch-niederländische Grenze in einen Baggersee. An Bord sind, neben meinem Bruder und mir noch zwei Studenten der Studienrichtung Schiffstechnik, die bis zur deutschen Staatsgrenze mit ihren Rheinschifferpatenten die Legalität der Fahrt auf dem Rhein gewährleisten. Der Großteil der Rheinfahrt fand leider bei schlechtem Wetter mit viel Wind und Starkregen statt. Wie sich noch herausstellen sollte, ein Vorgeschmack auf die weiteren Wetterverhältnisse. Endlich, Anker fällt am ersten Tag der Reise nach den ersten 50 Seemeilen um 18 Uhr 30 in einem geschützten Baggersee mit Tankstelle und der strömende Regen lässt endlich nach. Am nächsten Tag geht es nach einem Tankstopp gleich weiter den Rhein abwärts, über einen Kanal auf der Ijssel Richtung Ijsselmeer weiter bis Kampen. An einem kleinen umgebauten Binnenfrachter machen wir um 22 Uhr längseits fest. Am nächsten Morgen wollen wir endlich raus aufs Ijsselmeer. Bei Starkwind gegen an stirbt der nagelneue Yamaha-Motor an Steuerbord ab, ein Aha!?-Erlebnis bei der sprichwörtlichen Zuverlässigkeit dieses Motors. Wir können uns gerade noch ohne Schaden zu nehmen in einen kleinen Hafen retten. – Glück gehabt !! Obwohl die nächste Ortschaft rund 6 Kilometer vom Hafen entfernt lag konnten wir doch einen Mechaniker für die Motorreparatur auftreiben. Drei Tage später liegen wir, wieder mit funktionierenden Motor, vor der vorgelagerten Vogelinsel vor Anker. Das Wetter ist sonnig und wir können uns wieder mal dem Schiffsbau widmen. Vorbereitungen fürs Mastaufstellen werden durchgeführt: Die selbst konfektionierten Wanten werden an den Mastbeschlägen angeschlagen, die Schotwinchen auf den Cockpittisch geklebt und verschraubt. Aber auch die Badeleiter leistet ihre Dienste gut.
Zwei Tage später während der Überfahrt nach Lemmer ignoriere ich dann, abgelenkt durch die Motordrehzahlanpassung an das Wellenbild, eine Tonnenreihe vor Urk: 1. Grundierung!! Die Tonnenreihe, auch in der Seekarte gut ausgezeichnet, markiert also eine Untiefe. Die TORU steckt das Ereignis viel leichter weg als ihr Eigner das Ärgernis. 19:20 fest in Lemmer (Willemskade), neben einem Minenfeger der Königlich Niederländische Marine. Und dann die große Überraschung: Maststellen bei Freunden! Wir machten zufällig vor einer kleinen Werft fest, die einem Oberösterreicher gehört. Vor lauter Begeisterung einen Landsmann am Kai liegen zu haben, bietet er uns großzügige Hilfe an: Maststellen mit seinem Kran, Wasser, Strom, Liegeplatz,… alles kostenlos – toll !!! Wie das Leben halt so spielt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keine Ahnung wo und wie wir den Mast stellen werden, und – voila – treibt uns das Schicksal an die Kaimauer eines hilfsbereiten Landsmanns irgendwo in den Niederlanden. Wie angeboten Mast gestellt und große Erleichterung meinerseits da alle Stagen passen das heißt, kein einziges mal hab ich mich bei der Konfektion der Stagen vermessen (16x), große Erleichterung. Des weiteren Klampen für die Fallen montiert, Mastfußbock geschliffen und montiert,… und wie immer wenn möglich gebunkert. Nach arbeitsreichen drei Tagen mussten wir leider auslaufen da weitere Schiffe der Marine den Platz beanspruchten. Nach einer kurzen aber sehr herzlichen Verabschiedung fällt der Anker auch schon wieder um 9 Uhr 30 in der Bucht vor Lemmer. Wir genießen das warme schönes Wetter während wir an Rigg und Segeln weiterarbeiten. Großbaumbeschlag an Mast montiert, das erste Mal Großsegel gesetzt, Mastrutscher gleiten nicht richtig und müssen angepasst werden, aber ohne elektrische Maschinen ist diese Arbeit sehr mühsam. Doch eine Lösung ist schnell gefunden: Die Mastrutscheranpassung wird einstimmig auf später verschoben, hurra! Nach 2 Tagen an denen fast schon Urlaubsgefühle geweckt wurden heißt es um 7 Uhr 20 „Anker auf“. Am 26. Juli 2012 um 7 Uhr 50 läuft die TORU zum ersten Mal unter Segel. Nur das Rauschen der Bugwellen durchbricht die Stille, ein erhebendes Gefühl. Ohne Motor unter Sonnenschein und raumen Winden zieht uns „Pink Lady“, TORU’s größtes Vorsegel in niederländischen Farben, durchs Ijsselmeer Richtung Nordseeschleuse. Um 17 Uhr wird für uns dann noch schnell eine „Autobahnbrücke“ gedreht und es geht durch die Schleuse “Den Oever” in die Nordsee, ins Salzwasser.