Rekonvaleszenz und Resilienz
29.08.13 – 20.11.13 (17d)
Nach einer unvorhersehbaren Kurskorrektur aufgrund postoperativer Rehabilitation geht die Mission stark verspätet Ende Sommer endlich weiter. Maintenance, repair and improve – heißt wiedermal die Parole auf „new high german“. TORU’s Optik soll in neuem Glanz erstrahlen. Dafür bekommt Sie einen großen wetterfesten Sonnenhut verpasst und alles soll mit hohem Aufwand neu lackiert werden. Was ohnehin immer angesagt ist, besonders aber nach der Überwinterung, ist putzen: Außen und innen, oben und unten, vorne und hinten, Müll über Bord. Diesen immer wiederkehrenden Schritt muss man behutsam und gelassen angehen. Sehr hilfreich bei dieser äußerst notwendigen Tätigkeit ist der Zustand einer kontemplativen Geisteshaltung um sich nicht als Sisyphos mit seinem Stein zu fühlen. Irgendwann bleibt der Stein (dank anderer) dann doch eine kurze Zeitspanne am Berggipfel liegen und man kann sich endlich der Umsetzung seiner Ideen widmen. Schleifen heißt das auf Althochdeutsch. Die optisch groben Fehlstellen an Rumpf und Deck zuerst mit der effektiven aber viel Staub erzeugenden Flex grob modellieren, dann Spachteln und danach mit der eigentlichen Schleifmaschine mit Staubabsaugung glatt schleifen. Dies erzeugt natürlich viel Dreck der dich nahtlos wieder in den Sisyphoskreislauf des Lebens eingliedert. Das anschließende Lackieren der Holzoberflächen zählt für mich aber zu den aufbauenden Tätigkeiten, da das schöne Ergebnis den Arbeitsaufwand überstrahlt. Um jedoch TORU’s laminierte Außenhaut eine langlebige, widerstandsfähige Beschichtung zu verleihen, wurde ein professioneller Bootslackierer mit der folgenden Aufgabe beauftragt: Alten Lack abschleifen, grobe Unebenheiten spachteln, wieder schleifen, zweimal mit Epoxy versiegeln, wieder schleifen und abschließend den Endlack glänzend weiß zweimal mit Zwischenschliff aufrollen. Viiiel Arbeit, viiiel Geld, aber dafür auch viiiel Professionalität, besser als ich es je alleine könnte. So meine Rechtfertigung des eingesetzten Kapitals. Was mich aber immer wieder in ratloses, fassungsloses Erstaunen versetzt sind die, entgegen allen gemachten Absprachen und entgegen allen Gepflogenheiten, eigenmächtigen, schwer zu korrigierenden, grundlegenden Planänderungen der Professionisten, ohne Ab-, Rück- oder Aussprache mit dem Auftraggeber!? Als ich drei Wochen später die ersten Ergebnisse der „professionellen“ Arbeit an TORU’s Rümpfen in Augenschein nahm, traute ich meinen Augen nicht und erschrak erst recht als mein Tastsinn die optische Wahrnehmung bestätigte. Die Rumpfoberfläche hatte eine Struktur wie ein Außenputz eines Hauses. Rechtfertigung des Lackierers, frei übersetzt mit Dolmetscherunterstützung und Gesten aus dem Italienischen: „Durch die grobe Oberflächenstruktur werden die Laminierfehler optisch aufgelöst“. Mir ist bis jetzt noch kein Bootseigentümer bekannt, der sich einen extra rauen Bootsrumpf wie eine Hauswand wünscht. Falls jedoch diese Zeilen einem Leser dennoch Inspiration sind, bei mir melden, ich hab die Firma für Boots-Rauputze und Oberflächeninversionen, von glatt zu rau! Da ich, zum Leidwesen des Lackierers, auch zur überwiegenden Mehrheit der Glattrumpfanhänger gehöre, musste die Farbe wieder ab. Habe es aber nicht geschafft die Schleifer dazu zu bringen den Lack bis auf die hoffentlich vorhandene Epoxygrundschicht abzuschleifen. Ganz glatt wird das wohl nicht mehr werden. Aufgrund dieser sehr mangelhaften Ergebnisse musste das unbeaufsichtigte Arbeiten der Firma gestoppt werden, was das nasskalte Wetter aber ohnehin forderte. Neue Parole: Professionelle Arbeit nur mehr unter Aufsicht und, TORU winterfest machen! Das heißt, alles Wasser raus aus dem Schiff, Batterien und deren solare Ladung kontrollieren, neu lackierte Holzflächen und unlackiertes Epoxy abdecken, und, und, und. Dabei gehen mir diese Untiefen nicht mehr aus dem Kopf, die völlig überraschend am Horizont des Lebens auftauchen und forsche Kurskorrekturen erzwingen um nicht auf Grund zu laufen. Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Improvisationstalent, Geduld, Beharrlichkeit und vor allem Humor werden dabei immer wieder auf eine harte Probe gestellt. Für diese Fähigkeiten und vor allem dem lösungsorientierten Umgang mit Widrigkeiten ist seit kurzem auch ein neues Wort der Lateiner in Verwendung, Resilienz. Der Winter gewährt mir aber eine Denk- und Atempause um im Frühjahr, mit neuem Elan und Konzept, die TORU in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Ich übe mich in Resilienz!